Bericht aus dem NSU-Untersuchungsausschuss

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Im öffentlichen Teil der Sitzung am 04.12.2012 wurden die Zeugen

• KHK i.R. Klaus König (KPI Jena)

• OStA Jürgen Schultz (StA Gera) vernommen.

KHK i.R. Klaus König (KPI Jena) Der Zeuge König war seit 1990 im Staatsschutz-Bereich der KPI Jena im Kommissariat 33, später Kommissariat 4 bezeichnet, bis zu seinem Ruhestand tätig. Schwerpunkte waren die Delikte Landfriedensbruch, Körperverletzung und extremistische Straftaten. Die Großstädte wie z.B. Jena bildeten naturgemäß den Schwerpunkt. Neben der Bekämpfung der sogenannten „Regierungskriminaltät“, wobei Unterstützung für BKA und GBA geleistet wurde, galt es auch der Allgemeinkriminalität Herr zu werden. Wenn man in den Jahren 1991/1992 nicht das Entstehen eines rechtsfreien Raumes feststellte, dann war doch das „Austoben“ von gewissen Personen bemerkbar. Ab 1993 seien das BKA, der MAD und das TLfV beizeiten ins Haus der KPI Jena gekommen, um Akteneinsicht zu nehmen. Man habe aber auch Informationen an das TLKA gegeben. Zwar habe man vom TLfV auch ab und zu Informationen erhalten, aber er hatte damals den Eindruck, man wisse mehr als die Kollegen des TLKA oder des TLfV. Des Weiteren habe es das „ungeschriebene Gesetz“ des TIM gegeben, dass der Staatsschutz bis in das Jahr 2011 keine eigenen Quellen führen solle. Zuerst sei es kein Geheimnis gewesen gegen wen Ermittlungsverfahren geführt würden. So habe man die entsprechenden Informationen weitergegeben. Erst später wurde die Anweisung ausgegeben, bestimmte Informationen nicht mehr zu teilen. Als Verbindungsbeamten des TLfV ab 1994/1995 benannte der Zeuge neben Herrn Neisen noch einen weiteren Beamten namentlich. Thomas Dienel bezeichnete er als Größe in Thüringen, der entsprechend auffällig wurde. Dieser war mehrfach in Gewahrsam. Auch er selbst habe diesen in Gewahrsam genommen. Eine Intervention des TLfV zugunsten des Thomas Dienel sei ihm aber nicht bekannt. Er führte noch aus, dass man zu dieser Zeit ständig Gefahr lief, dass eine Gegenanzeige der Rechten erstattet werde, so dass sich die Ingewahrsamnahme im richtigen rechtlichen Rahmen bewegen musste. Das Lagebild des TLfV über die rechte Szene vom 23.12.1996 kenne er nicht. Er zweifle es an, dass dieses aus dem TIM stamme. Dies würde den Vorgaben des TIM widersprechen. Der Zeuge stellt im weiteren Verlauf die rechte Szene in Thüringen dar. Zunächst habe es die Wikingjugend gegeben. Dann folgten einzelne Kameradschaften und schließlich der THS. Kapke war in Jena die erste Führungspersönlichkeit, wobei auch Dienel Einfluss in Thüringen nehmen wollte. Ab 1994 traten dann Figuren wie Uwe Mundlos auf. Der Staatsschutz sei 1994 auf Mundlos als Grundwehrdienstleistenden aufmerksam geworden, da dieser bereits in Chemnitz auffällig geworden sei. Man habe den MAD über Mundlos ins Bild gesetzt. Gelegentlich habe es den Austausch oder einen Kontakt zum MAD gegeben, um diesen über Soldaten mit Kontakten in die rechte Szene zu informieren. Er führt weiter an, dass es einen Anfangsverdacht wegen Geheimnisverrates gegen Kollegen in der Polizei nicht gegeben habe. In Gesprächen mit dem TLfV seien geplante Durchsuchungsmaßnahmen durchaus Thema gewesen, da man diese nicht als Geheimnis gegenüber dem TLfV betrachtete. Angesprochen auf die Durchsuchung in der Gaststätte „Am Heilsberg" im Oktober 1997 gab er an, an dieser Maßnahme nicht beteiligt gewesen zu sein, dass diese im Bereich der KPI Saalfeld läge. Je nach Lage, z.B. bei größeren Angelegenheiten, gab es eine Zusammenarbeit mit anderen KPIen. In die Durchsuchung am 26.01.1998 sei er nicht eingebunden gewesen. Beim THS habe man keine festen Strukturen festgestellt. Zwar wisse man, wer Mitglied der einzelnen Kameradschaften sei, auch einen harten Kern habe man ermitteln können, aber keine schriftlichen Aufzeichnungen zu Funktionen einzelner Mitglieder. Es lagen aber Hin-weise vor, dass einzelne Aktionen durch den THS gesteuert wurden. Der Jugendclub „Hugo“ war als Treff der Rechten bekannt. Der Zeuge warf den Sozialarbeitern und der Verwaltung vor, Gesprächsangebote der Polizei zum Problem Rechtsextremismus zurückgewiesen zu haben. Von Seiten der Sozialarbeiter und den Jugendclubs sei eine Zusammenarbeit ablehnt worden. Diese hätten sich auch nicht inhaltlich mit den Rechten auseinandergesetzt. Der Zeuge habe beim BKA an Schulungen zu den Thema Rechtsextremismus und Terrorismus teilgenommen. Die Kritik, die der Zeuge Melzer bei der Spurensicherung in seiner Vernehmung vorgetragen habe, habe er zum Teil zur Kenntnis bekommen. Informationen, die man an das TLfV gegeben habe, seien wohl wenig professionell verarbeitet worden. Er er-innere sich an Aufträge, mit denen dieselben Sachverhalte Wochen später erneut abgefragt worden seien, obgleich die Informationen bereits übermittelt seien. Auch die Qualität der Bildung im Bereich Staatsschutz in der Polizei sei nicht zufriedenstellend gewesen. Die angebotenen Schulungen seien aber mangelhaft gewesen. Der Zeuge verwies darauf, dass es Polizisten mit Sympathien für die Rechten gegeben habe. Er habe den entsprechenden Diensten, u.a. dem TLfV, Vorschläge zu Personen gemacht, die als Informanten oder gar als V-Personen in Frage kämen. Hierzu benannte er auch einen konkreten Fall. Andre Kapke bezeichnete der Zeuge als Führer der Kameradschaft Jena, Böhnhardt und Mundlos als dessen Stellvertreter. Das spätere TRIO zählte er zum harten Kern der rechten Szene in Jena. Ein Verfahren nach § 129 StGB berge Schwierigkeiten eine rechte Gruppierung verbieten zu lassen. Jedoch können solche Gruppen und deren Strukturen in einem solchen Verfahren besser untersucht werden. OStA Jürgen Schultz (StA Gera) Der Zeuge Schultz führte zu Beginn seiner zweiten Vernehmung durch den Untersuchungsausschuss, dass er sich an das zuvor geschilderte Gespräch mit Herrn Melzer erinnere. Das Gespräch solle aber nicht in der Wiese stattgefunden haben, wie dies Herr Melzer schilderte. An Namen erinnere er sich nicht mehr. Diesen Besuch des TLfV verorte er in 1997/98. Auf die Frage, ob man darüber einen Vermerk hätte anfertigen müssen, antwortete er, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Er sei sich nicht sicher gewesen, ob die dort getätigten Aussagen so gemeint und ernstlich waren. Er wisse auch nicht, ob er den Sachverhalt nicht doch mit seinem Behördenleiter besprochen habe. Im Falle des Landfriedensbruches in Gräfenthal in 1995 sei es in der ersten Instanz zu einer Verurteilung Brandts gekommen, in der zweiten Instanz am 25.06.2001 jedoch zu einem Freispruch. Daneben lag ein weiteres Verfahren gegen Brandt aus 1995 vor, das nach § 154 StPO aufgrund der Verurteilung im Fall Gräfenthal eingestellt wurde. Nach diesem Vorhalt stellte sich die Frage, ob man das alte Verfahren nach dem Freispruch nicht wieder hätte aufnehmen müssen. Der Zeuge führte an, dass dies wohl der Fall sei. Er wisse nicht aber nicht mehr, wer das Verfahren weitergeführt habe, da er zu dieser Zeit nicht mehr dieses Dezernat führte. Er verwies darauf, dass in seine Ermittlungen niemand eingegriffen habe. Er habe nur die Verfahren eingestellt, die einzustellen waren. Ansonsten habe er die Fälle angeklagt, die mögliche waren. Ob diese Verfahren in einer Verurteilung endeten, habe er dann nicht mehr in der Hand. Er wollte Tino Brandt verurteilt sehen, in welchen Verfahren es auch immer möglich war. In manchen Verfahren haben die Richter wohl keine Chance für eine Verurteilung gesehen, aber einen Freispruch wollte man den Rechten auch nicht schenken, weshalb die Verfahren dann gem. § 153 II StPO eingestellt wurden. Zur Frage, ob er Nachermittlungsaufträge an die Polizei vergeben habe, erwiderte er, dass man sich uns oft über die Fälle unterhalten habe. Bei einem Misserfolg habe er aber die Polizei nicht dafür verantwortlich gemacht. Diese sei zuverlässig gewesen. Wenn es noch etwas erfolgversprechend zu ermitteln gegeben habe, wurde das gemacht. Dem Zeugen wurde ein Vorhalt aus einem Aktenvermerk des Herrn Iselt vom 28.10.1997 gemacht, wo dieser festhielt, dass in einem Telefonat mit dem Zeugen Schultz im Zuge der Durchsuchung am Heilsberg die Eröffnung eines neuen Verfahrens nach § 129 StGB oder § 127 StGB abgelehnt wurde. Der Zeuge erwiderte, dass es hierzu wohl nicht reichte und er dies eben so gesehen habe. Nach Vorhalt des Schreibens aus dem TIM an das TMJE aus 1997 zur Einstellungspraxis, antwortete dieser, dass er sich nicht erinnern könne, ob diese Schreiben Thema in den StAen war. Er habe alles gemacht, was möglich war, und habe die Gegend befriedet. Er habe so viele eingesperrt wie kein anderer. Er habe auch keine Erinnerung mehr daran, ob die USBV-Verfahren in das § 129-Verfahren eingefügt werden mussten. Wenn er damals der Meinung gewesen wäre, dass diese Verfahren hinzu verbunden werden müssten, hätte er dies so gehandhabt. Zu Pannen bei der Spurensicherung sagte er, niemand könne Spuren perfekt sichern. Dies sei auch eine Personalfrage. Altenburg habe nur einen Beamten für die Spurensicherung. Nach dem Untertauchen des TRIOs will er ein Schreiben an Roewer gerichtet haben, da die Zielfahndung entgegen aller Erfahrung keine Erfolge zeitigte. Man dachte, dass die Zielfahndung Hilfe bräuchte. Dieser Brief beinhaltete 22 Fragen, u.a. zum Aufenthaltsort, welche alle von Herrn Nocken mit „nein“ beantwortet wurden. Die von Herrn Melzer angeführte Todesliste habe er nicht ernst genommen. Im Zuge der Ermittlungen zu Theater-Bombe kam die EG TEX nicht weiter. Das TLfV hat die entsprechenden möglichen Orte ermittelt. Man erhielt dann den Hinweis, dass diese Garagen gemietet hätten, die man sich anschauen sollte. Man erhielt nur einen vagen Hinweis, so dass man gar nicht wusste, wonach man suchen sollte. Die Vorbereitungen dauerten dann ein wenig. Die Durchsuchung wurde dann auf einen Montag gelegt. Unmittelbar im Vorfeld sei er so krank geworden, dass eine Notoperation erforderlich war. Sein Vertreter im Amt sei jedoch eingewiesen gewesen. Man sei vorsichtig in Bezug auf Verhaftungen gewesen, da die Polizei immer „gerne festnehme“. Bei Fertigung des Antrages auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses sah er jedoch noch keinen Haftgrund vorliegen. Aufgrund des „dürren“ Hinweises habe man gar nicht gewusst, was man finden könne. Er sei davon ausgegangen, dass man weitere Spuren und kein großes Bombenlager fände. Jedoch sollten die Kräfte, falls sie etwas fänden, sofort anrufen. Die Polizei müsse aber vor Ort entscheiden, ob eine Festnahme nach PAG erfolgen könne. Auf das Festnahmerecht nach § 127 StPO müsse er nicht hinweisen, da dies alles Spezialisten seien. Die Formulierung "dienstlich bekannt" sei in der Verwertbarkeit der Beweistatsachen eigentlich kein Problem. Jedoch seien zusätzliche Beweise wie Zeugenaussagen zielführend, da manche Richter in solchen Fällen keinen Durchsuchungsbeschluss fertigen würden. In den 90ern gab es in Thüringen eine starke rechte Szene, die teilweise gewaltbereit war, sich aber größtenteils durch Tragen von Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen gezeigt habe.

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